Titel: Roter Drache
Autor: Thomas Harris
Originaltitel: Red Dragon
Jahr: 1981
Genre: Thriller
Persönliche Wertung:
Da ich im Moment mal wieder krank bin und sich meine Zeit vor dem PC entsprechend auf ein Minimum reduziert hat, habe ich aus Langeweile heraus mal wieder in mein Bücherregal gegriffen. Ich hätte zwar noch einige angefangene Reihen gehabt, doch irgendwie war mir nach Mord und Totschlag zumute, sodass mir mein vor Jahren angeschafftes Exemplar von Roter Drache
in die Hände fiel. Es handelt sich dabei um den ersten Band der berühmten Hannibal Lecter
-Reihe, von der ich ein sehr großer Fan bin. Dennoch habe ich Roter Drache
aus irgendwelchen Gründen nie gelesen. Warum auch immer.
Da die Reihe in letzter Zeit durch die TV-Serie Hannibal
mit Mads Mikkelsen wieder verstärkt Aufmerksamkeit bekommen hat, habe ich das als Anlass genommen, meine Wissenlücke zu schließen.
.::Worum geht es?
Der aus dem Dienst ausgeschiedene FBI-Agent Will Graham wird von seinem alten Freund und ehemaligen Kollegen Jack Crawford herangezogen, um in einem besonders brutalen Fall von Mord zu ermitteln. In zwei unterschiedlichen Städten wurden in einem Abstand von wenigen Monaten zwei komplette Familien systematisch in ihren Häusern auf grausamste Art und Weise umgebracht. Der Art und Weise, wie der Täter die Leichen seiner Opfer drapiert, präpariert und geschändet hat, haftet etwas Rituelles und auf lange Sicht Vorgeplantes an. Die Beanmten gehen daher von einem hochintelligenten, geistesgestörten Täter aus, dessen Blutrausch noch lange nicht gestillt ist.
Mit der Zeit und seinen eigenen Dämonen im Nacken versucht Graham, sich in den Täter hineinzufühlen, sucht Tatorte auf und fügt Puzzleteile zusammen, doch die Toothfairy
, wie der Täter aufgrund der Bissmale an seinen Opfern genannt wird, ist für ihn schwer greifbar. Daher wendet er sich in seiner Not an die einzige Person, die ihm in dieser Situation weiterhelfen kann: An den inhaftierten Psychologen und Serienmörder Hannibal Lecter, genannt Hannibal der Kannibale, den Graham vor wenigen Jahren hinter Gitter gebracht hat. Doch Lecter hat seine ganze eigene Vorstellung, wie seine Rolle in diesem Spiel auszusehen hat.
.::Schreib- und Erzählstil
Thomas Harris ist nicht grundlos einer der am meisten gelesenen Thriller-Autoren. Da das Buch aus den frühen 80ern stammt, erscheinen dem Leser von heute viele der Formulierungen und Dialoge ein wenig altbacken, was allerdings der Spannung nichts nimmt. Die Besonderheit an Harris‘ Büchern ist, dass der Kriminalfall grundsätzlich aus mindestens zwei Perspektiven dargestellt wird: Der Ermittler- und der Täterperspektive. Und ich kenne kaum einen Autor, der einem die Psyche eines Massenmörders besser, unangenehm intimer und umfassender vermitteln kann. Dennoch hat man nicht das Gefühl, als würde einem die Auflösung des Falls vorweggenommen, im Gegenteil – die Zusammenführung der verschiedenen Perspektiven ist immens spannend.
.::Fazit
In Roter Drache
hat Hannibal Lecter seinen ersten Auftritt, doch gleichzeitig geht es in diesem Buch nicht in erster Linie um ihn. Vielmehr ist er so etwas wie die lauernde, graue Eminenz im Hintergrund, und wenn man die Folgebände kennt, dann weiß man, dass dieses erste Buch dazu dient, die Figur Lecter aufzubauen und das Lesepublikum an ihn heranzuführen.
Das Buch besticht durch zahlreiche Perspektivwechsel, sehr umfassende Beschreibungen und Rückblicke, die der Handlung mitunter etwas von ihrem Tempo nehmen, aber mitnichten uninteressant zu lesen sind. Harris labert
nicht, er gibt dem Leser eine vielzahl an Informationen an die Hand, die sich erst nach und nach zusammenfügen.
Ich habe das Buch sehr schnell durchgelesen und konnte es zwischendrin kaum aus der Hand legen. Meine Ausgabe von Heyne schimpft sich Das Buch zum Film
und enthält farbige Screenshots aus der Verfilmung von 2002 mit dem schrecklich unpassenden Edward Norton als Graham, die ich jedoch wirklich niemandem ans Herz legen kann.
Wer Spaß an einem wirklich großartig geschriebenen Thriller aus der Zeit von Telefax und Fernsprechern hat und sich nicht von der etwas holprigen Übersetzung stören lässt, dem lege ich das Buch wärmstens ans Herz. Ebenso seine Folgebände, die ich vorhabe nun auch noch einmal zu lesen.
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