Ich komme so langsam in ein gewisses Alter. Mindestens das erste Lebensviertel ist um, man ist kein Kind und auch kein Teenie mehr und die Leute beginnen einen unter Umständen seltsam anzusehen. Es führt langsam kein Weg mehr daran vorbei, ob man es nun im Freundeskreis mitbekommt oder von neugierigen Verwandten darüber ausgequetscht wird: Das leidige Thema „Heirat“. Wenn nach der zukünftigen Familienplanung gefragt wird, geht es grundsätzlich um Ehe. Hochzeit. Verheiratet sein. Man könnte beinahe den Eindruck bekommen, dass „Familie“ einfach nicht möglich ist ohne „Ehe„. Und das im Jahre 2013, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich habe festgestellt, dass das eine Krankheit ist, die nicht nur die ältere, konservative Bevölkerung hat. Früher, da war es eben so, dass man als Paar geheiratet hat, und das auch meistens früh. Mann und Frau, die unverheiratet zusammen sind und vielleicht auch ein Kind bekommen? Unmöglich, gesellschaftlich verpönt und durchaus auch rechtlich ein Risiko. Die Ehe ist, geschichtlich gesehen, für Frauen auch mitunter die einzige Möglichkeit gewesen, sich abzusichern und finanziell versorgt zu werden. Da hat man sich mitunter auch durchaus in eine Heirat gestürzt, die vielleicht nicht das optimale Glück versprach.
Heute haben wir Frauen es sehr viel besser. Von allen Spitzfindigkeiten, die Feministen beschreien, mal angesehen: Hier in Mitteleuropa haben wir Frauen es ziemlich gut. Wir dürfen studieren, arbeiten und keiner schaut uns in der Regel schief an, wenn wir unseren Freund auf offener Straße küssen, ohne verheiratet zu sein. Wir sind nicht darauf angewiesen, dass ein Mann uns wegheiratet, denn wir können uns selbst versorgen. Dennoch hat man manchmal das Gefühl, dass bei intelligenten Frauen mitunter das Gehirn auf Autopilot schaltet, wenn es um das Thema Heirat geht.
Heirat. Das impliziert Hochzeit. Weißes Kleid, schönster Tag des Lebens, sich ewige Liebe schwören. Glitzer, funkel, quietsch. Das ist ja soooo romantisch.
Ja, denke ich mir dann immer, mag ja sein. Aber eine Ehe ist doch kein Candlelightdinner oder ein hübsches Modetäschchen, das man stolz mit sich spazieren trägt. Als ich einmal eine Freundin, die ihren Freund nach zwei Jahren Beziehung unbedingt heiraten wollte, einmal ernsthaft gefragt habe, warum es eine Heirat sein musste, kam nur sinngemäß die Antwort: „Ja, weil halt. Wenn man sich liebt, heiratet man.“ Aha. Und ein Paar, das nicht verheiratet ist, liebt sich nicht so sehr, wie ein verheiratetes Paar?
Mal ganz abgesehen von solchen esotherischen Gründen wie Liebe: Es gibt aus meiner Sicht keine vernünftigen Totschlagargumente für eine Heirat. Die steuerlichen und gesetzlichen Vorteile, die früher exklusiv Eheleute genossen, sind heutzutage größtenteils so geregelt, dass auch unverheiratete Paare sie nutzen oder sich zumindest „ertricksen“ können. Beispiele gefällig?
„Wenn mein Partner krank wird, darf ich als Lebensgefährte/in keine wichtigen Entscheidungen fällen und bekomme keine Ärzteauskunft, weil nur Ehepartner bevollmächtigt sind!“
Falsch. Es besteht für Paare jederzeit die Möglichkeit, eine notariell beglaubigte (!) sogenannte Vorsorgevollmacht aufzusetzen. Diese sorgt dafür, dass der Partner im schlimmsten Fall bevollmächtigt wird, anstelle seines Partners Entscheidungen zu treffen, die diesen betreffen.
„Ja, aber die Steuervorteile!“
Lohnen sich mittlerweile nur noch, wenn die Partner wirklich deutlich unterschiedlich verdienen. Das ist heute, da Frauen mittlerweile im Berufsleben die selben Chancen haben wie Männer, durchaus nicht mehr eine Seltenheit. Abgesehen davon ist das Ehegattensplitting ein großes Streitthema in der Politik und es wird viel darüber diskutiert, Lebenspartnerschaften und Ehen steuerlich gleichzustellen.
„Kinder könnten Probleme bekommen, wenn ihre Eltern nicht verheiratet sind!“
Stimmt, wenn das Paar nicht anderweitig vorsorgt, steht das Sorgerecht alleine der Mutter zu, was im Todes- oder Trennungsfall durchaus böse enden kann. Das Stichwort ist allerdings auch hier „Vorsorge“. Eine notarielle Erklärung zur gemeinsamen Versorgung des Kindes sowie eine Anerkennung der Vaterschaft beugt hier Problemen vor. In Sachen Entscheidungsbefugnis, Kindergeld, steuerliche Freibeträge, Kinderbetreuungskosten und auch der Familienversicherung gibt es für Kinder unverheirateter Eltern grundsätzlich keine Nachteile gegenüber Kindern verheirateter Eltern.
Man könnte noch sehr viel mehr Gründe nennen, doch ich denke, mein Punkt dürfte klar sein. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die meisten Leute in meinem Alter, die sich für eine Heirat entscheiden, solche Faktoren nicht einmal in ihre Entscheidung hineinfließen lassen. Und das ist es, was das Ganze für mich so unverständlich macht: Ob früher oder später, es scheint für Viele schlicht aus einfachem Prinzip einfach festzustehen, dass sie heiraten werden. Ohne das Ganze durchdacht zu haben, ohne überhaupt zu überlegen, ob es nicht andere Alternativen gäbe, die genauso gut sind.
Ich möchte das Heiraten ja gar nicht verteufeln, benso wenig wie die Leute, die sich bewusst dafür entscheiden, aber ich finde gleichzeitig, dass wir in modernen Zeiten leben und anfangen sollten, bewusst über unsere Leben nachzudenken. Eine Heirat alleine aus romantischen Gründen – wertet das die Ehe nicht eher ab als auf? Ist eine Beziehung wirklich so viel weniger fest und stabil, wenn man keinen Trauschein hat? Muss man einen Ring am Finger tragen um zu wissen, dass man zusammen gehört und füreinander einstehen wird? Sind unverheiratete Paare weniger liebevolle Eltern?
Vielleicht werden sich meine eigenen Prinzipien im Laufe der Jahre noch verschieben, das möchte ich gar nicht ausschließen. Es ging mir mit diesem Beitrag aber auch gar nicht einmal so sehr um meine eigene Meinung zum Thema, sondern ich würde mir vielmehr wünschen, dass viele Leute ein wenig über den Tellerrand hinausblicken und verstehen, dass es mehr als nur ein Lebenskonzept gibt – und dass nicht heiraten zu wollen nicht unbedingt bedeutet, sich nicht binden zu wollen. Die religiösen Befindlichkeiten habe ich dabei bewusst ausgelassen, da müssen die Betreffenden sich einfach selbst überlegen, wie das in ihre Entscheidungen mit hineinspielt.
Wenn mich übrigens jemand fragt, wie es um meine Familienplanung steht, antworte ich am liebsten: „So oder so – meine Privatsache.“
2 Comments
Wollen wir mal den advocatus diaboli spielen:
Alle deine vorerwähnten Maßnahmen kosten einen Ganz zum Anwalt oder Notar und kosten Geld. Und gerade hat die Regierung (größt Berufsgruppe unter ihnen: Anwälte und Notare) eine Erhöhung der Notargebühren beschlossen. Eine Hochzeit (exclusiv Feier) ist hingegen recht kostengünstig und zur Not von Elvis in Las Vegas anerkennbar machbar.
Vor Gericht kann auch die Ehefrau/der Ehemann belastende Aussagen bezüglich des Partners verweigern.
Eine Heirat ermöglicht es auch Verwandten, von diesem Thema abzulassen und ein neues zum Nagen zu finden. Wahrscheinlich Geld oder die Scheidungsvorsorge.
Man kann in einen Ehevertrag (zumindest nach US-Recht) einiges an sonst sittenwidrigen Schweinereien und Phantasien aufnehmen, die sonst jedes Dom/Sub-Pärchen beeindrucken würden.
Für mich ist die Ehe ja eher sowas wie ein Vertrauensbekenntnis in die Zukunft, eine Willensbekundung oder so. Aber ich rechne sie auch nicht höher oder niedriger als andere solche Bekundungen ein. Ein Versprechen, ein Tattoo, ein Vertrag, ein Heizkörper im Keller mit Handschellen, die können ja alle die gleiche Botschaft vermitteln – Das soll für die Ewigkeit sein.
Ich find es auch unschön, wenn Leute die Ehe eingehen, weil es einfach so gehört, oder weil es gerade halt so gut läuft. Oder schlimmer, weil es gerade eben nicht so gut läuft.
Als Scheidungskind hat man da ja oft auch eine etwas andere Sicht, weil man weiß, das Ehe eben nicht einfach so alle Probleme löst und es nicht einfach alles gut läuft.