Privates & Alltag

Eine Frage der Loyalität

„Loyalität ist etwas Wundervolles, leider wird deine von dir missbraucht.“

Schrieb man mir heute morgen aus heiterem Himmel. Was mich dazu bewegt hat, seit mehreren Stunden darüber nachzudenken, was Loyalität (für mich) eigentlich ist, und ob man mir vorwerfen kann, dass diese Aussage da oben auf mich zutrifft. Ist ja immerhin ein ganz schön großer Satz, und dann auch noch von jemandem, bei dem ich trotz allem nicht so einfach darüber hinwegsehen kann.

Loyalität ist etwas anderes „sich für jemanden einsetzen“. Es ist auch etwas anderes als „Treue“ und umfasst eigentlich all die Privilegien und Zugeständnisse, die ich jemandem mache, der mir sehr, sehr nahe steht. Sie bedeutet, dass ich jemandem stark vertraue. Damit ist nicht uneingeschränkter Zuspruch oder unbedingtes Ja-Sagen gemeint. Loyalität meint auch, dass ich jemanden soweit vertraue, dass ich ihn eigene, vielleicht schlechte Entscheidungen treffen lasse und hinterher trotzdem sage „Hey, das war vielleicht blöd, aber ich mag dich trotzdem.“
Es gehört zu meiner Aufassung von Loyalität auch dazu, jemandem zu sagen, wenn er/sie meiner Meinung nach auf dem Holzweg ist – auch wenn derjenige das in dem Moment vielleicht gar nicht hören mag. Aber zu dieser Art von Einstellung gehört nun einmal Ehrlichkeit – Fremde werden dir niemals sagen, dass das, was zu im Begriff bist zu tun, echt scheiße ist. Denn es kann ihnen egal sein, worauf es hinausläuft.

Loyalität funktioniert nicht einseitig. Nicht im privaten Bereich. Dementsprechend kann man sie auch nicht einfordern, frei vergeben oder sich auf der Loyalität eines anderen ausruhen. In einer Situation bedingungslos hinter jemandem zu stehen macht noch keine Loyalität aus, sie ist also auch nicht an- und abschaltbar oder auf Abruf verfügbar.

Wohl kann man sie aber jemandem entziehen. Und das passiert vor allem in Momenten, in denen ich merke, dass mein Gegenüber von mir zwar Loyalität verlangt, aber selbst nicht bereit ist, sich an diesem Konstrukt zu beteiligen. Vertrauensbruch nennt man das wohl auch.

Manche Menschen haben ein Anrecht auf eine gewisse Grundloyalität – die Familie. Ich frage nicht lange nach, wenn ein Familienmitglied meine Unterstützung braucht, weil ich grundsätzlich das Vertrauen habe, dass es umgekehrt genauso sein würde. Umso schwerer ist es, wenn man merkt, dass auch Familienbeziehungen nicht frei sind von Dingen, die Loyalität auf Dauer kaputt machen. Der Unterschied ist nur, dass es ungleich schwerer ist, einen klaren Strich zu ziehen und zu sagen „Nein. Ich vertraue dir nicht mehr. Und es wird auch nie mehr so sein.“

„Missbrauche“ ich also meine Loyalität, indem ich sie jemandem entziehe, der  mein Vertrauen (und meine gesamten Lebensumstände) dauerhaft verletzt hat, und sie denjenigen zuteile, die ebenso geschädigt sind wie ich? Ich finde nicht. Es gibt für alles eine Grenze, meine ist in diesem konkreten Fall (fast) gänzlich überschritten.

Schade. Denn zumindest in einem Punkt stimme ich der obigen Nachricht zu: Loyalität ist etwas Wundervolles.

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